Blog

Innere & äußere Ansprüche – das Interview mit Scheitern

Neue Bands sind immer eine spannende Kiste: Als Zuhörer*in hat man manchmal das Gefühl, einen rohen Diamanten entdeckt zu haben, bevor andere ihn sehen konnten. Aus der eigenen Perspektive als Musiker*in ist es das „bei Null anfangen“, ein leeres Blatt Papier vor sich zu haben und eventuell auch Dinge zu verbessern, an denen man sich früher die Zähne ausgebissen hat. „Scheitern“ heißt diese neue Band in Freiburg, die am Wochenende direkt die erste Single als Live-Session veröffentlicht haben. Gabbo und Flo waren so nett und haben uns ein paar Fragen zum Namen, zur Musik und zur Inspiration beantwortet.

An was seid ihr das letzte Mal gescheitert?
Gabbo: Momentan scheitere ich alle paar Tage an meinem Anspruch nicht zu rauchen. Ziemlicher Klassiker wahrscheinlich.
Flo: Bürokratie!

Wie kam es zum Name? Was sagt der Begriff „Scheitern“ für euch aus?
Gabbo: Noch vor dem Gedanke eine neue Band zu starten, hatte ich voll Bock roughe Songs zu machen. So zwei Minuten Hardcore Punk Songs oder sowas. Was rauskam, war jedoch bei weitem nicht so derbe. Da eine Idee oder Anforderung zu haben, diese nicht zu erfüllen, damit aber komplett cool zu sein, war so ein bisschen das Puzzlestück. Der Name „Scheitern“, der erstmal nur Arbeitstitel war, orientiert an einer Crust-Konzertreihe vom Bodensee, hat sich in diesen Umstand total passend eingebettet. Die ersten Texte der Band beschäftigten sich ergänzend dazu mit Phänomenen der eigenen Rolle im Kontext von Leistungsdruck, Ansprüchen diverser Ursprünge, der Umgang mit eben diesen nicht klarzukommen, usw. So kam der Bandname irgendwie als Selbstläufer und hatte doch Hand und Fuß. Der Begriff scheitern wird im Alltag ja häufig sehr negativ genutzt. Für mich war es aber voll wertvoll im weiten Sinn zu erkennen, dass es vollkommen ok ist, Ansprüche und damit verbundene Erfolge oder Ziele dynamischer zu betrachten. Gerade im Rahmen einer Band. Dass es scheiß egal sein kann irgendein Ziel nicht zu erreichen, manche Ziele ätzend sind, die Schönheit von Dingen häufig in dessen Tätigkeit ihren Ursprung findet, etc.
Flo: Ich bin irgendwann mal über Samuel Beckett gestolpert und fand dessen progressiven Gedanken des Scheiterns sehr passend für mich. Spannend finde ich auch, dass ich ja letztlich an Ansprüchen – seien sie von mir selbst oder von außen an mich getragen – scheitern kann. Dem dann nachzugehen, woher kommt der Anspruch und wer gibt hier die Richtung vor, bringt zumindest mich hin und wieder etwas weiter. Und mal abgesehen von unseren pseudopsychologischen Deutungen – ist es auch einfach ein passender Name für ne Punk Band, oder?

Auch wenn ihr „Newcomer“ seid, so sind es doch bekannte Gesichter, die man in der Freiburger Musikszene kennt. Wer ist denn alles dabei und welche Bands laufen da parallel mit bzw. waren zuvor am Start?

Gabbo: In wie vielen Bands Carina gerade spielt, weiß ich gar nicht genau. Sie glaub auch nicht.
Flo: Puh. Danke auf jeden Fall, dass du uns als Newcomer bezeichnest.
Gabbo: Dead Cats on Mopeds, Deserteur Schumann, Casually Dressed, Redensart, Flatline Walkers und noch ein paar mehr. Manche Projekte davon sind aktiv, andere aufgelöst, bei wieder anderen haben sich Wege getrennt, etc.

Eure erste Veröffentlichung ist direkt eine Live-Session? Wie kam es zu der ungewöhnlichen Idee? (Normalerweise gibts doch erstmal Studiorecordings.)
Flo: Zwei Fliegen mit einer Klappe. Bild und Ton und nur einmal dudeln. So war die Idee. Hinzu kommt dann glücklicherweise auch noch, dass wir so wahnsinnig kompetente Menschen wie Lea und Martin an unserer Seite hatten, die das unfassbar gut gemacht haben.
Gabbo: Dem liegt auch eine Gewisse Pragmatik zugrunde. Da wir alle in verschiedensten Bereichen total eingespannt sind, hat sich auch einfach die Frage gestellt, in welchem Zeitfenster wir was auf die Kette bekommen. Eine Live-Session war da so ein bisschen die Möglichkeit, Ton und Bild zu verbinden, aber auch einen Rahmen zu schaffen, in dem wir alle zusammen am Start sein können. Außerdem wollte ich auch echt gern was mit Leuten machen die uns nahe stehen. Das war mit Lea (Bild) und Martin (Ton) dann voll perfekt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Sind noch mehr Songs in der Live-Session entstanden?
Flo: 1,2 oder 3. Ob du richtig stehst, siehst du, wenn das Licht angeht.

Wie entsteht bei euch neue Musik? Im Kollektiv oder gibt es einen Songwriter, der Ideen liefert?
Gabbo: Persönlich würde ich sagen, dass wir momentan noch sehr „klassisch“ Songs schreiben. Soll heißen, wir treffen uns zum Proben und stellen Ideen vor, an welchen wir dann so lange arbeiten bis wir happy sind. Das kann mit ein paar Akkorden, ausgereifteren Strukturen, oder auch einem Text starten. Lyrics kommen bis dato von Dommie und mir. Das ist in Teilen arg zeitaufwendig und kann manchmal auch etwas zäh sein. Ich selbst denke aber, dass uns das bis jetzt voll gutgetan hat. Der Crew-Vibe konnte sich so irgendwie gut verankern.

Welche Bands da draußen inspirieren euch?
Gabbo: Wahrscheinlich ist der Raum, der Inspiration speist, ständig in Bewegung und auch bei allen etwas unterschiedlich. Ich für meinen Teil lasse mich gerne von befreundeten Musiker*innen inspirieren, aber auch von Bands die es schaffen, mich zu begeistern, ohne sich aufdringlich darzustellen. Auch Leute, welche im Rahmen ihrer Möglichkeiten einfach versuchen so viel es geht selbst zu machen, feiere ich sehr.
Flo: Also gerade höre ich wieder mehr White Reaper und Drug Church. Ob das allerdings zur Inspiration reicht? Inspirierend finde ich Menschen, die andere begeistern können und dabei keine Egoarschlöcher sind.

Auch ungewöhnlich: Bis auf den Youtube Kanal findet man keinerlei Infos zu euch online. Kein Bock auf Social Media?
Gabbo: Das resultiert weniger aus einer reinen Antihaltung. Im Prinzip haben wir einfach noch nicht so viel Stuff am Start. Keinen Tonträger, ein paar Shows, die ersten Aufnahmen in der Mache…, eigentlich geht es gerade erst los. An diesem Punkt noch frei davon zu sein, hat sich einfach ergeben und ist irgendwie auch ok. Zumal wir auch noch gar nicht wissen wie, welche und ob wir das überhaupt nutzen möchten. Und künstlich irgendwelche funky Momente zu erschaffen oder bei allem die Verwertbarkeit für Instagram im Hinterkopf zu haben oder gar zu planen, ist auch einfach nicht so unser Ding. Long story short: Da kann schon noch was kommen, aber wie, wann, wo, keine Ahnung.
Flo: Ich hab da glaub eher die Antihaltung. Der Content, der auf Social Media Plattformen geteilt wird, ist doch weitestgehend völlig uninteressant. Die wichtigen und berührenden/mitreißenden Dinge sollen doch auf einer Bühne in Interaktion mit Publikum stattfinden. Social Media finde ich eher reine Vermarktung. Aber den Punkt müssen wir wahrscheinlich alle mal diskutieren, haha.

Ihr habt die erste Live-Show (mit Shoreline) hinter euch, wie gehts weiter? Ein paar Dates mit Das Blanke Extrem stehen schon.
Gabbo: Vermutlich eher entspannt. Wir werden im Lauf der nächsten Wochen und Monate noch das ein oder andere Ergebnis der Live-Session veröffentlichen und spielen auch noch eine Hand voll Shows. Soweit geplant. Da im engeren Kontext mit Family, Reisen, anderen Projekten und Jobs doch die Prios weitläufig geteilt sind, werden wir wohl einfach auch ein bisschen flexibel schauen was sonst noch so geht.

Famous last words?
Flo: Mochte ich noch nie.

 

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert