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Alt-J beim Messe Openair Freiburg

„How black, how black was my forest“

Zugegeben, ich hab nicht schlecht gestaunt, als ich Anfang des Jahres gefragt wurde, ob ich Alt-J live sehen möchte. Klar will ich, wo? In Berlin, vielleicht – mit viel Glück als Freiburger – in Zürich? Nein man, in Freiburg! Also Karten gekauft und gewartet, bis der 10. August 2018 tatsächlich kam und Alt-J in der Zwischenzeit nicht abgesagt hatten, weil sie merkten wie wunderschön, aber halt doch recht unglücklich Freiburg gelegen ist.

Als bis zum besagten Tag keine Schreckensmeldungen – bezüglich des Konzerts, oder der weltpolitischen Lage – aufkamen, fanden wir uns also am Messegelände ein und stellten erst mal fest: nicht mal übermäßig viel los hier. Ich meine, wir reden hier von einer der gehyptesten Bands der Zwanzigzehner-Jahre und der Messeplatz ist nicht bis zum letzten Quadratmillimeter vollgestopft. Aber gut, mehr Platz für uns.

Nach dem die Vorband HONNE ihr durchaus interessantes Set – irgendwo zwischen 80er Synthies und Soul – durch hatten und die Umbauphase abgeschlossen war, standen tatsächlich im ruhigen und idyllischen Freiburg, fernab von den pulsierenden, niemals schlafenden Großstädten Europas, Alt-fuckin’-J auf der Bühne.Getrennt durch Gitter aus LED-Röhren standen die drei Engländer, weniger Band als vielmehr Zellennachbarn, nebeneinander. Wer hier für eine Abriss-Show kommt, ist genauso fehl am Platz wie die AfD… immer… egal wo.

Die Stimmung wird bei Alt-J nicht durch eine ekstatische Bühnenshow, sondern durch stimmige Lichtelemente, Farben und vor allem durch die Musik geschaffen.

Ich hatte Alt-J bereits im Vorjahr auf dem Southside gesehen und damit das erste Live-Gefühl schon hinter mir. Als aber der Opener „Deadcrush“ mit seinem viel zu schwer wirkenden Synthie gepaart mit dem hüpfenden Stöhn-Beat ertönte, war ich – und mit mir das gesamte Messegelände – vollkommen elektrisiert. Besonders erwähnenswert bei dieser Dreier-Combo ist die Vielseitigkeit der Musik. Hier eine Twang-Gitarre, die seit Mark Knopfler nicht mehr so zart und doch so prägnant angeschlagen wurde, dort ein Synthesizer, der sich von Glockenspiel bis Heavy-Wobbler erstreckt. Hier diese wunderbar zerbrechlich wirkende Stimme von Joe Newman, dort die fast monoton-wirkende aber doch immer auf den Hauptgesang abgestimmte Stimme von Gus Unger-Hamilton.

Vor allem aber das Schlagzeug. Leute, nehmt euch echt mal Zeit und hört euch dieses Schlagzeugspiel an! Pro Song schafft es Thom Green den Beat mindestens sechs Mal zu ändern. Mal off, mal nur Toms, dann mal ganz ohne, immer etwas Percussion und vor allem, immer zum richtigen Moment alles zusammen. Der Typ ist echt mal einer der kreativsten Trommler, den ich je gesehen hab.

Höhepunkt: Da sich auf den drei bisher veröffentlichen LPs quasi nur Hits befinden, brauche ich hier keinen Song hervorheben. Alt-J bringen die Songs live noch mal eine Ecke geiler rüber, als auf den ohnehin schon überragenden Platten. Zumal sich an den Songs live kaum etwas zur CD-Version ändert.

Mit Ausnahme von „Pleader“, dem letzten Song des 2017 erschienenen „Relaxer“-Albums. Der Song lässt sich Zeit. Baut langsam auf, um dann in einem epischen Refrain die Vanitas-Frage zu stellen „how green was my valley?“. Rückblicke auf Vergangenes. Diesen Satz hatte ich erwartet, doch als Alt-J plötzlich mit „how black was my forest?“ den Schwarzwald besangen, waren neben mir alle Konzertgänger völlig am Ausrasten.

Und plötzlich merkten alle, die dort waren, dass sich Alt-J nicht in der Stadt geirrt hatten, sondern dass sie genau zur richtigen Zeit in der für sie geradezu perfekten Stadt spielten. Idylle, Glückseligkeit, aber auch schaurig-traurige Melancholie kulminieren in diesem epischen Refrain. „How black was my forest?“ Freiburg ist wohl doch wunderschön und glücklich gelegen, so fernab von den pulsierenden, niemals schlafenden Großstädten Europas.

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