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What We Feel aus Russland im Interview

What We Feel kommen aus Russland, und als ich sie zum ersten Mal dieses Jahr im White Rabbit gesehen habe, war mir direkt klar, dort weht ein anderer Wind: Fotos während der Show waren verboten, die Bandmitglieder waren teilweise vermummt, und die Musik? Extrem energie-geladener Hardcore der einfach nur mitreisst! Eine großartige Live-Band! Vor einigen Tagen hatten ich nun die Möglichkeit mich mit Sänger Ivan über ihre Tour, die russische Szene und viele andere Dinge zu unterhalten.

Ivan, ihr wart auf großer 10 Jahre-Jubiläumstour mit Konzerten in Deutschland, in der Schweiz, in Polen, in Tschechien und in der Slowakei. Wie lief es? Erzähl uns ein bisschen darüber!
Ja, dieses Jahr hatten wir eine große Tour mit 40 Shows quer durch Europa und Russland. Es war super und wie immer ging der Gewinn an die russischen Familien, die den Verlust eines antifaschistischen Familienmitglieds durch die Straßenkämpfe gegen Nazis zwischen 2005 bis 2010 hinnehmen mussten. Tour-Finale war dann in Prag, wo wir zusammen mit unseren Freunden von Feine Sahne Fischfilet, Moscow Death Brigade und den Stage Bottles auf der Bühne standen. Und was soll ich sagen, wir haben um die 3000 Euro gesammelt, die meisten Shows, organisiert von Freunden und Bekannten, waren richtig gut und wir haben viele alte Freunde getroffen und neue Freundschaften geknüpft.

Das klingt super, und 3000 Euro ist ja wirklich eine Menge, Hut ab! Gab es denn Städte, die dir besonders gut in Erinnerung geblieben sind?
Für mich persönlich waren das Berlin, Bern und Prag — wirklich gute Shows vor vielen Menschen, die uns gut unterstützt haben. Außerdem haben wir gute Konzerte mit Feine Sahne Fischfilet in Dresden und Wien im Februar gespielt. In Russland waren Kaliningrad, Moskau und Kirow wirklich heiße Shows. Aber wie schon gesagt, lief es allgemein sehr gut, mit ein paar wenigen Ausnahmen. Und was kannst du von eurer Show in Freiburg erzählen? Wir spielen immer wieder gerne in Freiburg. Seit 2007 waren wir bereits sechs Mal hier und die Stadt ist sehr schön. Wir sind gut befreundet mit der Oi!-Band Enraged Minority, die uns immer mit Shows und guten Aftershow-Parties in eurer Stadt versorgt haben. Dieses Jahr haben wir sie dann, zusammen mit den Jungs von Los Fastidios, zu uns nach Russland eingeladen, das war schon super. In Freiburg haben wir meistens nahe der historischen Altstadt gespielt, sodass wir oft noch Zeit hatten, uns die Stadt einmal genauer anzuschauen.

Kannst du dich noch an die einzelnen Venues hier in Freiburg erinnern?
Wir haben zwei oder dreimal im White Rabbit gespielt und zuvor in der KTS.

Wie du bereits erwähnt hattest, wart ihr zusammen mit Feine Sahne Fischfilet und den Stage Bottles unterwegs. Wie habt ihr euch kennengelernt und solch eine enge Freundschaft aufgebaut?
Oh, das ist eine lange Geschichte. Für die Stage Bottles haben wir 2008 eine Tour in Russland organisiert. Zu der Zeit war es SEHR gefährlich hier so etwas zu organisieren aber es hat alles geklappt und ich bin immer noch sehr stolz über die Zusammenarbeit. Die Jungs haben eine 20-Mann starke Crew zusammengetrommelt, gut vorbereitet auf Probleme jeglicher Art, und dann sind wir mit dem Zug durch Russland gereist, manchmal 1500km pro Tag. Das war quasi der Beginn der Freundschaft zwischen What We Feel und den Stage Bottles, und ich persönlich muss sagen, dass ich die Jungs sehr mag und respektiere, denn das war wirklich mutig! Ein Veranstalter einer Stage Bottles-Show war Ivan Khutorskoi, ein Freund und ein RASH-Skinhead, der ein Jahr später vor seiner Haustür von Neo-Nazis erschossen wurde. Die Band hat der Familie in der schweren Zeit danach sehr geholfen. Amplifier Interview - What We Feel Russland Feine Sahne Fischfilet haben wir in Rostock kennengelernt, das muss so ca. 2008 gewesen sein. Danach haben wir uns zwischen 2009 und 2010 wiedergetroffen und 2013 haben sie uns auf unserer Benefit-Tour mit ihren guten Connections unterstützt. Wir haben für sie auch schon ein Show in Moskau organisiert und dort im Februar 2014 eine tolle Zeit gehabt. Ich mag die Jungs wirklich, super Band und vor allem auch sehr gebildete Menschen, die sich politisch engagieren. Dieses Jahr haben wir einige Gigs zusammen gespielt, unter anderem eben auch das Tour-Finale in Prag. Zusammen mit Leuten von ihrem Label — Audiolith Records, von Lonsdale Germany und von True Rebel Shop haben wir dieses Mal einen großen Gewinn durch Merch und eine 7inch erzielt, dessen Einnahmen an die Antifa gingen. Ich hoffe sehr, dass wir die Verbindung und Zusammenarbeit aufrecht erhalten können.

Das kommt mittlerweile leider immer weniger vor, dass sich Bands so sehr unterstützen. Der Konkurrenz-Gedanke ist oftmals zu groß…
Weisst du, in dieser Szene brauchst du solch eine Partnerschaft, in der du dich gegenseitig unterstützt, denn wir werden ständig vom Staat, der Polizei oder von Nazis unter Druck gesetzt. Freundlich sein und Freunde zu unterstützen, ist hier wohl der einzige Weg zu überleben.

Wir haben den Amplifier vor gut einem Jahr ins Leben gerufen, um die regionale Punkrock-, Metal-, und Hardcore-Szene zu supporten. Kannst du etwas über die Szene in deiner Heimat erzählen, für alle diejenigen, die sich in Russland nicht auskennen?
Die russische Szene (DIY-Punkrock & Hardcore) begann 2000 zu wachsen. Vorher war sie wirklich sehr klein. Sogar in Moskau (20 Millionen Einwohner) waren zu dieser Zeit maximal 100–150 Besucher an einem Konzert. 2005 begann sich die antifaschistische und politische Punk-Szene in Moskau und St. Petersburg zu entwickeln. Später kamen Städte wie Kirow, Kaliningrad, Petrosawodsk und Nischni Nowgorod dazu, also der europäische Teil von Russland. Dort gab es dann ziemlich brutale Straßenkämpfe mit Neo-Nazis, bei denen einige Leute ihr Leben ließen. Konzerte zu organisieren oder zu spielen, war zu dieser Zeit einfach nicht sicher, aber die letzten 5 Jahre hat sich das Ganze weiterentwickelt und die russische Szene gleicht nun fast der europäischen. In den meisten Städten gibt es nun eine lokale Szene, einige wirklich gute DIY-Bands, Labels und Veranstalter. Nun gut, sie ist natürlich immer noch nicht so riesig, aber bei einigen Moskau Shows konnten wir bereits 500–800 Leute mobilisieren, viel mehr als noch vor zehn Jahren. Es war außerdem sehr wichtig, dass wir diese gute Verbindung zur deutschen, polnischen und tschechischen Szene hergestellt haben. In den letzten zehn Jahren haben wir etliche Touren und Shows für ausländische Bands organisiert. Bands aus Russland hatten dann wiederum die Möglichkeit Konzerte im Ausland zu spielen. Wir haben zum Beispiel für Tackleberry, Force Within, Antikörper, Hausvabot, SS Kaliert, Stage Bottles, Oppressed, Rast Knast, Popperklopper, Kurzer Prozess, my Terror und viele weitere Bands Konzerte organisiert.

Wow, da kennt man ja einige. Nicht schlecht. Du sagst eure Szene gleicht nun der europäischen Szene, also ist das Nazi-Problem heute besser als noch vor zehn Jahren oder ist es immer noch ein permanenter Kampf?
Weisst du, von 2005 bis 2009 war es wirklich hart, da haben Nazis viele terroristische Anschläge verübt und Kirchen, McDonalds-Filialen, Lebensmittelläden in die Luft gejagt und viele Leute umgebracht, sogar Polizisten. Doch dann begann die russische Regierung und die Polizei dagegen vorzugehen und dadurch hat sich die Situation geändert. Ich würde behaupten, dass auch die russische Antifa-Bewegung sehr viel zu dieser positiven Veränderung beigetragen hat. Es ist heute immer noch nicht 100% Safe, aber OK. Es kann immer noch zu Kämpfen kommen, aber die aktuelle Situation ähnelt der polnischen: Die Nazis haben ihre eigene Szene.

Ok, und wie habt ihr dann diese Shows organisiert? War es überhaupt möglich Poster aufzuhängen, Flyer zu verteilen, oder habt ihr die Shows nur über die sozialen Netzwerke verbreitet?
Heutzutage sind Poster und Internet-Promotion möglich. Von 2005–2008 wurden die Shows nicht offiziell beworben, nur über gesicherte Webforen und über Telefon.

Heavy Stuff, wenn man bedenkt, dass wir hier in Deutschland fast nur Probleme wie „zu wenig Besucher“ oder „Pay to Play“ haben. Wenn man nun die ganzen Background-Infos hat, sind 10 Jahre als Band wirklich beachtlich! Wenn ich nur darüber nachdenke, wie schwer es sein muss positiv und fokussiert zu bleiben, stellt sich mir die Frage: Gab es bei What We Feel einen Punkt, an dem ihr am liebsten alles hingeschmissen hättet?
Ja, wir hatten 2010 dieses Gefühl, als wir uns dafür entschieden haben, die Band für zwei Jahre auf Eis zu legen. Uns wurde von der Polizei untersagt Shows in Moskau zu spielen und an jedem Konzert gab es Schwierigkeiten mit den Gesetzeshütern. Zusätzlich hatten wir zu der Zeit keine neuen Ideen für die Band, also haben wir eine Pause eingelegt. Ich glaube ja, dass es jeder Band gut tut, eine Pause einzulegen.

Oh, das wusste ich gar nicht! Und wann wart ihr wieder mit What We Feel aktiv?
2012 haben wir wieder mit dem selben Line-Up begonnen, Musik zu machen. Wir hatten die Idee einen Film über Ivan zu drehen und haben die Einnahmen wieder an die Familie gespendet.

Ok, seit 2012 seit ihr also wieder am Start. Was sind eure Pläne für die Zukunft? Neue CD? Neue Tour?
Nein, wir machen jetzt wieder einmal Pause, unser Gitarrist wurde gestern Vater und benötigt nun natürlich mehr Zeit für seine Familie. Außerdem glaube ich, dass wir die letzten drei Jahre einen wirklich guten Job gemacht haben, denn in diesem Zeitraum haben wir mehr als 20.000 Euro für verschiedene Projekte/Spenden erspielt. Wir haben drei Releases aufgenommen und über 150 Shows gespielt, deshalb ist es nun wieder an der Zeit für einen Break.

Na dann erst einmal Glückwunsch an euren Gitarristen! Und vor allem Glückwunsch an euch für diese herausragende Summe, die ihr sammeln konntet! Das ist wirklich der Wahnsinn! Was treibt ihr denn alle neben der Band und der Show-Orga? Mit was verdient ihr euren Unterhalt?
Wir arbeiten alle: Ich bin IT-Spezialist, unser Gitarrist Kameramann bei einem Filmteam und der andere Sänger arbeitet z.B. als Barkeeper. Mit der Band verdienen wir sozusagen nur Geld um Kosten für das Reisen, für Visas und für Aufnahmen tragen zu können. Der Rest wird gespendet.

Das war auch schon die letzte Frage, vielen Dank für deine Zeit und dieses ausführliche und sehr spannenede Interview. Ich hoffe, dass wir dann mal wieder in Freiburg sehen können!
Kein Problem, es war sehr interessant, dass alles mal wieder aus meinem Gedächtnis zu kramen!

Wenn ihr nun Bock auf What We Feel bekommen habt, könnt ihr hier mal ihre Website und Mucke auschecken und die Jungs unterstützen!

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